ZfU002 Aufstehen - oder was Auferstehung heißen kann

Predigt am 5./6. November 2022 in der Kathedrale St. Sebastian

Lk 20,27-38

„Erinnerungen, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren.“

„Du hast viele Spuren der Liebe und Fürsorge hinterlassen,
und die Erinnerung an all das Schöne mit Dir
wird stets in uns lebendig bleiben.“

„Erinnerung ist ein Fenster, durch das wir dich sehen können,
wann immer wir wollen.“

Liebe Geschwister,

Diese Sätze fand ich bei einem eher zufälligen Blick auf die virtuelle Trauerseite der Tageszeitung „Volkstimme”. Erinnerung ist das große Thema, wenn es um die Bewältigung des Verlustes eines lieben Menschen geht. Denn die Erinnerung können wir halten, lebendig erhalten, Erinnerungen können wir pflegen. Erinnerung kann uns das Gefühl vermitteln, dem Tod, der uns den Menschen nimmt, den wir lieben, nicht gänzlich ohnmächtig gegenüberzustehen. Das ist wertvolle Kraft der Erinnerung. Denn ohne Macht sind wir tatsächlich angesichts Todes. Viel haben wir ihm nicht entgegenzusetzen.

Und in der Erfahrung des Verlustes ist das Wort von der Auferstehung tröstlich. Doch dieses Wort von der Auferstehung ist zugleich so unendlich schwer. Denn Auferstehung ist so gänzlich dem entzogen, wo wir wirkmächtig sein können. Sie liegt hinter der Grenze des von uns Machbaren, hinter der Grenze dessen, was uns zugänglich ist. Hier sind wir auf ein Versprechen angewiesen, das andere uns geben. Seien es die Menschen, die vor uns geglaubt haben, seien es die Worte der Bibel.

An einem offenen Grab steht das mit der Auferstehung bei aller Sehnsucht nach Hoffnung für uns in Frage: Ist dieser Gott tatsächlich ein Gott des Lebens?

An einem offenen Grab steht das mit der Auferstehung bei aller Sehnsucht nach Hoffnung für uns in Frage: Ist dieser Gott tatsächlich ein Gott des Lebens? Bleibt nicht ein Funke der Unsicherheit? Ist doch Auferstehung nicht wirklich zu erklären – gerade in einer Zeit in der eine Konzentration auf das Dingliche in dieser Welt, auf das naturwissenschaftlich Erklärbare in der Welt, einen Glauben an ein Leben nach dem Tod, eine Auferstehung, in Frage stellt.

Die Sadduzäer, von denen wir eben im Evangelium gehört haben, stellen den Gedanken der Auferstehung ebenfalls in Frage. Und sie tun dies mit einem sehr konstruierten, vielleicht auch spöttischen Beispiel von einer Frau, die siebenmal verheiratet und siebenmal verwitwet und immer einen Bruder ihres Mannes heiratet. Wessen Ehefrau sei sie bei der Auferstehung? Im Hintergrund dieses Beispiels steht der damalige Brauch, die Witwe des Bruders zu heiraten, um so dem Erbe der Familie Bestand zu verleihen. Es ist der Versuch nach einer Kontinuität mit dem, was früher war. Der Versuch, etwas festzuhalten. Es ist der Versuch aus dem Tod des Bruders doch noch in eine Zukunft zu gehen.

Jesus geht auf das Konstruierte nicht ein: Er weist die Konstruktion der Sadduzäer zurück – es geht hier nicht darum, durch ein neues Heiraten Kontinuität sicherzustellen. Fast ist er zu hören: Konzentriert Euch nicht auf die Wege dieser Welt – vertraut darauf, dass Gott mit der Auferstehung Leben schafft. Bleibt nicht in den Zusammenhängen dieser Welt – die Ihr immer wieder multipliziert, kopiert, vervielfältigt. Auferstehung schafft eine neue Wirklichkeit: „Denn sie können nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und als Kinder der Auferstehung zu Kinder Gottes geworden sind.“ (Lk 20,36) Sagt er. Und ganz selbstbewusst fügt Jesus in er in Erinnerung an den brennenden Dornbusch an: „Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn leben sie alle.“ (Lk 20,37).

Kind der Auferstehung – Kind Gottes – Gott, der ein Gott von Lebenden ist – Gott, für ihn leben sie alle. Dieses Selbstbewusstsein spricht aus Jesu. Diese Gewissheit hält Jesus seinen Zuhörern, den Sadduzäer, den Menschen, die dabeistanden, und heute uns hier entgegen.

Aber was meint Auferstehung?

Da ist natürlich diese Gewissheit der Jüngerinnen und Jünger – die Gewissheit der Maria aus Magdala, die Gewissheit des Petrus, des Johannes und auch des Paulus und der vielen anderen Menschen des Anfangs: Jesus lebt und ist nicht mehr tot. Daraus speist sich auch die Hoffnung derer, die Jesus nachfolgen – bis zu uns heute hier – speist sich die Hoffnung, dass nicht „Tod“ das letzte Wort ist, sondern „Leben“. Auch für uns und auch für die Menschen, die wir lieben.

Doch die Wirklichkeit der Auferstehung, von denen die Evangelien berichten, geht noch weiter. Gerade beim Evangelisten Lukas ist das sehr augenfällig, denn er gebraucht das Wort „auferstehen“ – genauer eine ganz besondere Form des Wortes „aufstehen“ – auch an Szenen jenseits des Ostertages.

In den Worten des Lukas ist der Beginn der Lehre Jesu in der Synagoge von Nazareth – Jesu Heimat – ein „Aufstehen“, eine Auferstehung, und damit der Anfang seines öffentlichen, bevollmächtigen Predigens. (vgl. Lk 4,16).

Als er die Schwiegermutter des Petrus heilt, die fiebrig krank ist. Dann ist die Heilung in den Worten des Lukas ein „Aufstehen“, eine Auferstehung, und der Beginn der Nachfolge. (vgl. Lk 4,38)

Und dem dankbaren Samariter, den Jesus vom Aussatz geheilt hat. Im Sagt „Steh auf, geh hin“ – gehe neu in dein Leben – „Dein Glaube hat dir geholfen“. (Lk 17,19)

Auferstehung – wörtlich das „Aufstehen“ – ist wohl auch eine Wirklichkeit, die wir in unserem irdischen Leben erfahren können – als Vorzeichen.

Auferstehung – wörtlich das „Aufstehen“ – ist wohl auch eine Wirklichkeit, die wir in unserem irdischen Leben erfahren können – als Vorzeichen. Dann, wenn ein Leben gebrochen, krank, vielleicht am Absterben ist. Wo wir mit Gottes Hilfe einen neuen Anfang wagen können.

Vielleicht kann uns das helfen zu verstehen, dass Auferstehung eine Wirklichkeit ist – die zwar einen Blick auf die andere Seite der Medaille des Lebens wirft, einen Blick hinter den Vorhang – dass Auferstehung etwas ist, was tatsächlich wirklich ist. Ein neues Leben – von dem wir seit Jesu Auferstehung hoffen, dass wir – wie Lukas es in seinem Evangelium heute ausgedrückt hat – „gewürdigt werden teilzuhaben“. „an der Auferstehung der Toten teilzuhaben.“ Und diese Perspektive „Ewigkeit” – dieses Kinder der Auferstehung sein – Kinder Gottes sein – ist vielleicht heute noch eine Ahnung, aber wir können unsere Sinne dafür schärfen. Dabei helfen uns vielleicht die kleinen Erfahrungen des Aufstehens in unserem Alltag. Um unserer Leben aus der Auferstehung heraus zu kultivieren:

Dazu drei Vorschläge zu kleinen Ritualen in unseren Alltag hinein:

Am Morgen beim Aufstehen, können wir uns ganz bewusst aufzustellen und uns vielleicht der aufgehenden Sonne – diesem Sinnbild für den Auferstandenen – zuwenden. Aufrecht vor Gott und dem neuen Tag stehen und das Alltägliche in der Perspektive der Auferstehung sehen. Und mutig in den Tag gehen.

Oder: Beim Betreten einer Kirche – Sie haben es vermutlich vorhin getan – mit dem Taufwasser das Kreuz über uns zu schlagen, dass uns an unsere Taufe – diese Verheißung von Auferstehung für jeden und jede Einzelne – dass uns an unsere Taufe erinnert und uns in diese Feier hineinnimmt. Und jetzt gleich werden wir dieses Geheimnis des Glaubens gemeinsam beten: „Deinen Tod o Herr verkünden wir, deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“

Und schließlich – gerade an diesem Wochenende: Gehen wir, wenn es uns möglich ist – auf den Friedhof an die Gräber unserer Lieben, entzünden wir ein Licht und beten still. Meine geliebte Frau, mein geliebter Mann, Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Freundin, Freund – ich hoffe, dass Du lebst.

Vielleicht helfen uns solche kleinen Gesten und Rituale, uns eben nicht ohnmächtig zu empfinden, sondern getragen und gestützt, ja aufgerichtet durch einen Glauben an ein Leben, dass jenseits des leiblichen Todes liegt: nicht nur in der Erinnerung an Vergangenes sondern auch mit aufrechtem Sinn auf „das, was noch kommt“. Als Kind der Auferstehung – als Kind Gottes.

Musik von Ronald Kah (Happy Intro)Web: https://ronaldkah.de

Foto von Brett Sayles: https://www.pexels.com/de-de/foto/mann-der-auf-grunem-gras-geht-3608427/

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