ZfU001 Stärke meinen Glauben - oder wie ich mit dem Zweifel umgehen kann

Predigt am 1./2. Oktober 2022 in der Kathedrale St. Sebastian

Liebe Geschwister,

Lk 17,5-10

Eltern erleben, wie Ihre Kinder erwachsen werden und wie sie irgendwann rebellieren. Die Schule wird geschwänzt, vielleicht kommt das Rauchen und Alkohol ins Spiel, möglicherweise auch Drogen. Es ist ungewiss, wohin es mit dem Sohn oder der Tochter geht. Die Eltern treibt das an den Rand ihrer Fassung. O Gott, gib uns Kraft: Stärke unseren Glauben!

Ein Mensch ist alt geworden und die Krankheiten haben ihn fest im Griff. Der Körper will nicht mehr, verliert seine Kraft. Das Alter wird zur Last, und damit eigentlich das Leben. Ach, wenn es doch ein Ende fände? O Gott, gib mir Kraft: Stärke meinen Glauben!

Junge Menschen stehen ratlos vor der sich wandelnden Welt. Wetterextreme – Dürre und Starkregen – bezeugen die stattfindende Erwärmung des Klimas. Die 1-Grad-Marke ist längst gerissen, aber dennoch ändern Menschen ihre Lebensweise nicht. Junge Menschen fragen sich, in welcher Welt werde ich einmal alt werden? Ist es noch verantwortlich, eigene Kinder in diese Welt zu setzen, ihnen das zuzumuten? O Gott gib uns Kraft: Stärke unseren Glauben!

Gott gib uns Kraft: Stärke unseren Glauben!

Diese Szenen sind gar nicht konstruiert, denn ich habe in den letzten Wochen von solchen Erfahrungen gehört. Und die Erfahrungen des Lebens treiben Menschen an den Rand von Gewissheiten und manchmal darüber hinaus. Und so stellt sich auch das Moment der Verunsicherung ein: Ist das mit Gott eigentlich tragfähig? Oder ist es eher zweifelhaft? Ja, der Glaube hat einen Gefährten, den Zweifel. Der Glaube und der Zweifel gehören wie zwei Brüder zusammen.

Glaube und Zweifel ist eigentlich ein Grunddilemma der Menschen. Die Lebenserfahrungen machen die große Unverfügbarkeit spürbar: Wie wird etwas werden? Und auch für glaubende Menschen bleibt Gott in  seiner Unverfügbarkeit ein großes Geheimnis. Der Weg eines Christenmenschen – unser Weg – erscheint dann als eine permanente Auseinandersetzung mit diesem Geheimnis, indem die Frage nach der Tragfähigkeit des Glaubens mit der Anfrage des Zweifels konfrontiert ist. Es ist möglicherwiese der Gedanke, dass das, was wir haben – was wir an Glauben zu haben meinen – dass dies nicht ausreicht, nicht genügt. Nicht genügt, sich in dieser Welt zurecht zu finden.

Das Evangelium des heutigen Tages zeigt uns Apostel, denen es genauso geht. Auch die Apostel bitten Jesus: Stärke unseren Glauben. Oder wie es wörtlich heißt: Füge unserem Glauben noch etwas hinzu. Jesu Antwort irritiert – auch mich. „Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen.“ (Lk 17, 6) Das ist eigentlich etwas, was nicht möglich ist – zumindest nicht zu den Erfahrungen gehört. Vermutlich hätten sich die Apostel nicht ernst genommen gefühlt – mir würde es vielleicht ähnlich gehen. Und dann dieses Gleichnis von dem Knecht, der von seinem Herrn nicht zu erwarten hat, dessen Spitze eigentlich heißt: Mache das Deine – zieh es durch, erwarte aber auch keine Extrabehandlung. In beiden scheint Jesus sagen zu wollen: Es gibt keine schnellen Lösungen. Im Blick auf das Senfkorn und den Maulbeerbaum scheint Jesus ironisch zu sagen: Die Größe des Glaubens macht es nicht aus. Und im Blick auf das Gleichnis vom Knecht: Du wirst die ganze Distanz laufen müssen; und dies im Angesichts des Zweifels.

Aber der Glaube hat nicht nur den Zweifel als Bruder, sondern er hat noch eine Schwester: die Hoffnung. Die Hoffnung, dass das Geheimnis von Gott, dieses Wagnis im Leben gut ausgehen möge.

Eltern kann die Hoffnung tragen, dass es mit ihrem Kind gut gehen wird und das Band zwischen Eltern und Kind beständig ist – von Gott gehalten. Einen alten Menschen kann die Hoffnung tragen, dass das Leid nicht das alles bestimmende oder gar der letzte Gedanke ist – dass Gott nicht von der Seite weicht. Junge Menschen kann die Hoffnung tragen, dass es den Menschen dieser Tage gelingt, ihren Lebensstil zu ändern, damit Welt auch für die Generation der Enkel eine Zukunft hat – mit Gottes Hilfe.

„Seine Hoffnung Gott anvertrauen“.

aus der Regel des Heiligen Benedikt (RB 4,41)

Um das Dilemma zwischen den Brüdern Glaube und Zweifel zu bewältigen, braucht es eine Aufmerksamkeit für Schwester Hoffnung. Ein spiritueller Ratschlag aus dem monastischen Leben lautet dabei: „Seine Hoffnung Gott anvertrauen“. (RB 4,41) „Seine Hoffnung Gott anvertrauen“. Es ist wohl dieses Ausstrecken nach einem guten Ende. Es ist das Wissen, dass wir Gott unsere Hoffnung zumuten müssen: seiner Barmherzigkeit, seinem Herzen, Ihm direkt. Er muss sich das anhören. Und dieser Ratschlag ist wohl gerade dann gefragt, wenn der Glaube – also unsere Gewissheit und Zuversicht – vom Zweifel übermannt zu werden droht. Gerade in diesen Situationen darauf zu setzen, dass es gut ausgehen wird. Selbst wenn alles dagegenspricht.

Rituale können uns helfen, das geduldige Festhalten an Gottes Zuwendung zu bewältigen

Zugleich muss uns aber bewusst sein, dass dieser Gott, auf, den wir unsere Hoffnung setzen, immer ein Geheimnis bleibt und bleiben wird. Ein Geheimnis, das wohl nur mit Geduld auszuhalten ist; indem wir Geduld mit Gott haben. Hier können uns Rituale helfen, dieses geduldige Hoffen, dieses geduldige Festhalten an Gottes Zuwendung zu bewältigen. Vielleicht reicht eine schlichte Geste, in der letztlich so viel liegt: ein Licht, eine Kerze zu entzünden, in die ich mein Hoffen hineinlege. Das geht dann noch. Vielleicht hilft es auch, sich am Ende des Tages daran zu erinnern, was uns trotz aller Zweifelhaftigkeit doch in die Hand gelegt wurde, was wir trotzdem an Erfahrungen der Hoffnung empfangen durften: als Teaser, als Vorgeschmack, was noch kommen kann, auf ein Morgen hin.

Was aber hat eigentlich die Apostel so erschüttert, dass sie fragen: „Stärke unseren Glauben!“ Vor unserem Evangelium – es ist für die Lesung heute leider nicht vorgesehen und wird auch sonst ausgelassen – steht: „Seht euch vor! Wenn dein Bruder sündigt, weise ihn zurecht; und wenn er umkehrt, vergib ihm! Und wenn er sich siebenmal am Tag gegen dich versündigt und siebenmal wieder zu dir kommt und sagt: Ich will umkehren!, so sollst du ihm vergeben.“ (Lk 17,3-4) Die Vergebung – siebenmal am Tag – erscheint ihnen so schwer. Da wird auch die Ironie Jesu deutlich, denn das Vergeben haben wir selbst in der Hand. Hier kann ich selbst handeln. Aber – und das ist wohl so schwer – ich muss den ersten Schritt tun. Aber genau in der Vergebung meiner Frau oder meinem Mann gegenüber, meinen Kindern oder meinen Eltern gegenüber, meinen Freundinnen oder Kollegen gegenüber, wegen mir auch siebenmal am Tag, ist ein Training, eine Einübung der Geduld. Und es ist ein Weg jener Geduld, mit der ich Gott meine Hoffnung anvertrauen kann, selbst dann wenn der Glaube an meinen Bruder oder meine Schwester, wenn mein Glaube an Gott selbst mit dem Zweifel ringt. Es ist – für Dich und für mich – ein Anfang, in dem kleinen, dass ich bewältigen kann. Damit ich für Schwester Hoffnung in meinem Leben bereit bin.

Musik von Ronald Kah (Happy Intro)Web: https://ronaldkah.de

Foto von Julia Volk: https://www.pexels.com/de-de/foto/alte-gewolbte-decke-mit-sonnenlicht-das-durch-fenster-scheint-5272962/

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