ZfU003 Wach werden - oder was der Advent mit dem Klimawandel zu tun hat

Predigt am 1. Advent 2022 in der Kathedrale St. Sebastian

Mt 24,29-44 und Röm 13,11-14a

Liebe Geschwister!

Heute ist der Erste Advent, es beginnt eine sehr anheimelnde Zeit. Eine Zeit, die wir genießen und in der wir es uns gut gehen lassen wollen. Und dann, solch ein Evangelium, so ein sperriges Stück Bibel am Anfang dieser Zeit. Und ja: Es ist eine echte Zumutung!

Hier spricht Jesus in den Worten des Matthäus zu denen, die ihm zuhören: über Zeichen, die Drangsal, von verfinsterter Sonne, von fallenden Sternen, von Wehklagen der Völker. Der Jesus hier am Ende des Matthäusevangeliums klingt so ganz anders als der Jesus am Anfang: „Selig, die arm sind …“ (vgl. Mt 5,3) Heute heißt es: „So erkennt auch hier, wenn ihr das alles seht, dass das Ende der Welt nahe ist.“ (Mt 24,33) Und noch einmal, ja: Auch mir macht diese Rede Unbehagen!

In der Zeit Jesu rechneten Juden wie die späteren Christenmenschen mit einem nahen Ende der Zeit, dem Beginn eines messianischen Reichs des Heils und der Ankunft des Menschensohnes. Dass war eine Selbstverständlichkeit – darum kann Matthäus auch schreiben: „diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles geschieht“ (Mt 24,34) Und diese Erwartung der Ankunft des Menschensohns ist auch der Grund, warum wir Christenmenschen heute, diesen Text am Beginn des Advents – Advent heißt ja Ankunft – diesen Text am Beginn des Advents lesen. Matthäus will die, die sein Evangelium lesen und es hören, – auch uns heute hier – mit seinen so drastisch gewählten Worten aufrütteln. Damit die alltäglichen Dinge und all die Fragen des Lebens – das Schöne wie das Schwere – uns nicht zu sehr ablenken, sondern wir mit der Ankunft und der verändernden Kraft Jesu in unserem Leben rechnen. Damit auch wir damit rechnen. Wir, zu deren Welterfahrung bei all den Schwierigkeiten, die die Menschheit hat, das Weltenende nicht gehört.

Matthäus legt seinem Jesus eine klare Botschaft in den Mund: „Seid wachsam!“ (Mt 24,42b) und „Haltet euch bereit!“ (Mt 24,44a). „Seid wachsam“ und „Haltet euch bereit!“

Matthäus legt seinem Jesus eine klare Botschaft in den Mund: „Seid wachsam!“ (Mt 24,42b) und „Haltet euch bereit!“ (Mt 24,44a). „Seid wachsam“ und „Haltet euch bereit!“: Was kann das für uns bedeuten?

Ich denke, es könnte zweierlei heißen:

„Seid wachsam“: Schau Dir an, wie die Welt ist, in der Du lebst. Schaue Dein alltägliches Leben an! Beobachte sie genau! Nimm wahr, was sich ändert! Ziehe Deine Schlüsse daraus! Seid wachsam.

„Haltet euch bereit“: Lehne Dich nicht zurück, sondern sei bereit, den Schlüssen aus dem Blick auf die Welt und Dein Leben, Konsequenzen, Taten folgen zu lassen. Oder anders gesagt: Übernimm die Verantwortung für die Welt, in der Du bist, und für das Leben, das Du lebst. Lehne Dich nicht zurück, sondern werde tätig. Oder sei zumindest dazu bereit.

Kennzeichen für einen adventlichen Menschen: Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft

Ich glaube, dass dies einen Kennzeichen für einen adventlichen Menschen sind: Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft. Dies könnten Momente sein, in denen wir unserer je eigens Christenleben, in all seinen je unterschiedlichen Formen und Gestalten, jede und jeder nach den eigenen Möglichkeiten. In denen wir unsere Leben gestalten könnten: in aller Eigenverantwortlichkeit.

Was heißt dies nun konkret? Nehmen wir einmal als Beispiel einen Lebensbereich, der eigentlich uns alle berührt!

Im Stadtfeld, einem Viertel, in dem ja viele auch unserer Gemeinschaft hier leben, gibt es diesen kleinen Bach, die Schrote. Eigentlich, so sagen die Stadtfelder, muss ein Kind mindestens einmal beim Spielen ins Wasser der Schrote fallen. Das ist heute nicht mehr so einfach, denn aufgrund der Dürre der letzten Jahre führt dieser Bach nur sehr selten Wasser. Er ist praktisch seit 4 Jahren – im Sommer 2018 fing das an – ausgetrocknet.

Oder: Im Harz sind viele der Fichten, die den Harz ja geprägt haben, verschwunden. Gut, es waren Monokulturen, und die Fichten sind keine Bäume für Dürrezeiten. Der Borkenkäfer trat seines dazu. Die Bäume starben ab. Und mit einem wachen Blick sehen wir die Folgen der Dürre auch in den Wäldern und Parks hier in Magdeburg und Umgebung.

Schließlich: Vor einigen Tagen war in Venedig wieder „Aqua alta“ – Hochwasser. Eine Sturmflut trieb das Meer in die Lagune, in die Stadt und auf den Markusplatz. Vermutlich haben Sie dies in den Nachrichten gesehen. Bemerkenswert war: Das erste Mal, seitdem dies registriert wird, sprang der Pegel über zwei Meter – 2,04 m um genau zu sein. Nur Dank der gigantischen Hochwasserschutzanlage – die den passenden Name MOSE trägt und rund sechs Milliarden Euro gekostet hat – blieb die große Katastrophe aus.

Drei Beispiele für die Folgen der Klimaveränderung dieser Welt, die wir wachsam und aufmerksam wahrnehmen können. Und: Der Klimawandel wirkt sich ja in unseren engsten Lebensbereich aus – denn zumindest die Schrote und der Harz sind ja quasi vor unserer Haustür. Spätestens das Hochwasser von Venedig, das sich aber auch in jeder anderen Küstenstadt dieser Welt abspielen könnte, macht einmal mehr deutlich, wie sich die Klimaveränderung auf das Leben der Menschen in der Welt auswirkt. Auch auf unser Leben!

Am vergangenen Wochenende fand die 27. UN-Klimakonferenz im Sharm El-Sheikh ihr Ende: Ohne das sich die Delegierten ernsthaft auf eine Senkung des Ausstoßes der klimaschädlichen Gase – Kohlendioxid und Methan – verständigt hätten. Der UN-Generalsekretär Antonio Gutierrez, der qua Amt letztlich auch den von der Flut bedrohten Inselstaat auf einem Atoll im Pazifik vor Augen hat, sprach angesichts der ausbleibenden wirksamen Vereinbarungen alarmierend davon, dass die Menschheit sich „auf dem Highway zur Klimahölle“ befinde. Sie habe aber den „Fuß immer noch auf dem Gaspedal“.

Der Umgang mit dieser Welt ist eine zutiefst spirituelle Frage!

Sie könnten jetzt fragen: Warum gerade dieses Thema am 1. Advent? Ich denke, weil der Umgang mit dieser Welt eine zutiefst spirituelle Frage ist: Nicht umsonst nennt der Heilige Franziskus in seinem Sonnengesang die Welt „Unsere Schwester Mutter Erde“ und Papst Franziskus die Welt „Unser gemeinsames Haus“. Die Schöpfung, die uns allen anvertraut ist. Darum heute: Wachsamkeit und Handlungsbereitschaft.

In der zweiten Lesung hat uns Paulus in dem Brief an die Gemeinde in Rom einen Hinweis hinterlassen, wie wir mit diesen Wahrnehmungen umgehen können. Er schrieb: „Das tut im Wissen um die gegenwärtige Zeit: … aufstehen vom Schlaf.“ Röm 13,11a) Und etwas weiter unten: „Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, …“ (Röm 13,13ab).

Im Wissen um die gegenwärtige Zeit, dass heißt wohl: Es ist richtig und an der Zeit, darüber nachzudenken, wie jede und jeder von uns in aller Eigenverantwortlichkeit den eigenen Lebensstil überprüfen und ändern kann. Und ich denke angesichts der Tatsache, dass die staatlichen Verantwortlichen in der Welt sich so schwer damit tun, sich zu vereinbaren, bleibt uns nur der Weg der Eigenverantwortlichkeit. Ich glaube die Zeit darauf zu warten, bis es einen großen globalen Konsens gibt, die Zeit hat unsere Schwester Mutter Erde nicht.

Eigenverantwortung, damit die Spur in dieser Welt – die wir alle – Du und ich – durch unseren Gebrauch der Ressourcen hinterlassen – ein bisschen kleiner wird. Vielleicht bedeutet dies eine Einschränkung an Fleisch und Milchprodukten (das kann ja durchaus Sonntagsbraten heißen und nicht jeder muss Veganer sein). Aber doch etwas weniger, täte gut.

Vielleicht bedeutet das Veränderungen an der Form der Reisens (eher mit Zug als mit dem Flugzeug in die Ferien). Und nicht jede Fahrt muss mit einem Auto erfolgen, wo doch die meisten von uns hier gut in einer Stadt leben.

Es braucht wohl eine Änderung unseres Lebensstils – nicht schlechter, aber doch einfacher. Und rücksichtsvoller unserer Schwester Mutter Erde gegenüber.

Und es bedeutet auch einen geringeren Verbrauch an Energie (nicht erst dann, wenn die Rechnung von der SWM in die Höhe schießt). Es braucht wohl eine Änderung unseres Lebensstils – nicht schlechter, aber doch einfacher. Und rücksichtsvoller unserer Schwester Mutter Erde gegenüber. Solch eine Art unseres Lebens kann ein Ausdruck für einen adventlichen Menschen sein: wachsam und bereit!

Paulus – dieser Mensch des Advents – sagt vielleicht in unsere Zeit hinein: „Das tut im Wissen um die gegenwärtige Zeit: … aufstehen vom Schlaf.“ Ja, werden wir wach, ändern wir unser Leben, ändern wir unseren Lebensstil – nicht schlechter, aber einfacher. Für die Generationen nach uns.

Musik von Ronald Kah (Happy Intro)Web: https://ronaldkah.de

Foto von Markus Spiske: https://www.pexels.com/photo/people-walking-on-street-2990647/

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