ZfU008 Beistand, oder: Nicht ohne meinen Anwalt!

Predigt am 13./14. Mai 2023 in der Kathedrale St. Sebastian

Joh 14,15-21

Liebe Geschwister!

Letzte Worte haben immer eine tiefe Bedeutung. Sie sagen etwas über eine Person aus. Eben haben wir von den letzten Worten gehört, die Jesus nach dem Johannesevangelium am Abend vor seinem Tod seinen Jüngern gesagt hat: „Wenn ihr mich liebt, dann werdet Ihr meine Gebote halten.“ (Joh 14,15) Hier geht es um das Vermächtnis, darum, dass diese Geschichte mit Jesus weitergeht. Ein sehr markantes Gebot Jesu kennen wir: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ (Joh 13,34) Das hatte er gerade seinen Zuhörern aufgetragen.

Liebt einander! Das klingt zugleich einfach wie schwer. Einfach, weil es eine Form des Umgangs miteinander verspricht, der die Menschen gut miteinander leben können – sich gegenseitig achten, mit einem guten Kompass durch das Leben gehen. Schwer jedoch auch, weil gerade die Liebe uns herausfordert: Denn es ist nicht so leicht, die Liebe zu leben, wenn eine Beziehung, eine Freundschaft, eine Ehe durch unausgesprochene Erwartungen gefährdet ist und zerbricht. Es nicht so leicht, die Liebe zu leben, wenn ich herausgefordert bin, nach einem Streit wieder zum Frieden zurückzukehren. Es nicht so leicht, die Liebe zu leben, wenn mein Gegenüber plötzlich Pflege bedarf, die mich körperlich und seelisch fordert und vielleicht überfordert. So ist dieses Gebot der Liebe, dass Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern aufträgt, nicht immer einfach, sondern es fordert uns in unserem alltäglichen Leben.

„Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll.“

Joh 14,16

Nach dem Johannesevangelium, dass wir gerade gehört haben, scheint Jesus Realist genug gewesen zu sein, dass er eine Zusage macht. Eine Zusage, die die Jüngerinnen und Jünger – uns alle hier – nicht allein zurücklässt. „Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll,“ (Joh 14,16). Einen Beistand – dass ist im Johannesevangelium das Wort, das nur dieser Evangelist für den Heiligen Geist verwendet. Im griechischen Text nennt sich das Paraklet. Ein Paraklet ist jemand, den man zur Unterstützung und zum Trost herbeirufen kann. Bei der Übersetzung der Bibel vom Griechischen in das Lateinische verwandte der Text an dieser Stelle für Paraklet „Advocatus“ und macht damit etwas deutlich: der Heilige Geist ist ein Anwalt, der einem Menschen hilft, die Herausforderungen des Alltags zu bestehen und dort hindurchzukommen. Jesus, der gerade diesen herausfordernden Auftrag vom Halten der Gebote, vom Halten der Liebe ausgesprochen hat, sagt auch „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch.“ (Joh 14,18) und „Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch.“ Joh 14,20b) Es ist so, als will er Dir sagen: Hab keine Angst vor den Herausforderungen des Lebens – Du musst in diesem Leben nicht mehr ohne einen Anwalt auskommen, der mit Dir durch dieses Leben steuert. Und wenn das Leben schwierig wird: weil etwa Streit und Sorge um Andere herausfordert: Hab keine Angst, mit Gottes Beistand, mit diesem Parakleten, mit diesem Beistand bekommst Du das hin.

Aber wie erfahren wird diesen Beistand? Wie können wir uns dieser Unterstützung versichern?

Liebe Geschwister, ich glaube, wenn wir in unübersichtlichen oder schwierigen Situationen stehen, dann können wir diesen Beistand als Kompass wahrnehmen. Wir erleben diesen Geist in unseren Gedanken, vielleicht auch in der Macht des Gewissens. Dann spüren wir, dass Gottes Geist – das, was Johannes den Beistand, den Paraklet nennt – in uns wirksam ist. Dieser Beistand gibt uns die Kraft in einer Situation, eine richtige Entscheidung zu fällen. Der Beistand gibt uns Orientierung.

Die geistlichen Väter und Mütter haben für dieses Empfinden des Beistandes immer auch Kriterien benannt. Kriterien, an denen Menschen erkennen können, dass sie tatsächlich den beistehenden Geist wahrnehmen, einem Geist der Sicherheit gibt. Dass sie nicht einem Ungeist aufsitzen, der verwirrt und Unsicherheit gibt. Origenes etwa, einer der ersten Theologen aus dem zweiten Jahrhundert benannte etwa zwei starke Anzeichen für diesen Geist des Beistandes, den Parakleten. Denn er wies darauf hin, dass für einen Gedanken spricht, wenn dieser Gedanke zu einem Mehr an innerer Ruhe und Gelassenheit führt, in einem Zustand, in dem wir uns getröstet fühlen. Wenn ein Gedanke für ein Mehr an Ruhe, Gelassenheit und Trost spricht, dann ist es wahrscheinlich, mit dem Geist des Beistandes zu tun zu haben. Dann ist es wahrscheinlich, dass Gott uns in einer Situation trägt. Das zweite Kriterium des Origenes war, ob ein Gedanke ein mehr an Frucht verspricht, ob ein Handeln und Tun aus diesem Gedanken heraus, auch für das soziale Umfeld, für die Mitmenschen ein Mehr am Guten, ein Mehr an Frucht verspricht.

Mit diesen Kriterien – einem Mehr an Ruhe und einem Mehr an Frucht – können wir in der Vielfalt der Gedanken den Beistand erkennen, den Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern zugesagt hat und mit dem er uns nicht allein lässt, in dem er immer bei uns ist.

Mit diesen Kriterien – einem Mehr an Ruhe und einem Mehr an Frucht – können wir in der Vielfalt der Gedanken den Beistand erkennen!

So wird die Liebe, vielleicht auch dann, wenn sie schwierig wird, lebbar. Selbst in den Lebenssituationen, in denen das Leben so furchtbar unübersichtlich wird. Dann, wenn Du mit Ansprüchen ringst; dann, wenn der Streit Dich drückt; dann, wenn die Sorge um andere Dich fordert. Dann ist der Beistand Gottes, der Paraklet, der Advocatus in Deinem Leben. Dann brauchst Du eigentlich keine Angst haben. Denn kannst Du in Dein Leben gehen und sagen: Ich gehe in das Morgen – nicht ohne meinen Anwalt – dem Geist Gottes.

Amen.

Musik von Ronald Kah (Happy Intro)Web: https://ronaldkah.de

Foto von Sơn Bờm: https://www.pexels.com/de-de/foto/foto-von-handchenhalten-1773113/

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